Weinbau in Lichtenberg
Die Informationen, die uns im Zusammenhang mit Wein allgemein und Weinanbau in Lichtenberg vorliegen sind eher rar und kommen ausschließlich aus Rechnungen. Dennoch lassen sich daraus Einsichten zum Thema gewinnen.
Rechnungen können zu einer reichen Quelle historischer Forschung werden, weil sie nicht nur Aussagen zur Rechnungslegung machen, sondern darüber hinaus Auskünfte über das Finanzwesen, beteiligte Personen, evtl. Besitzverhältnisse und auch Aufgaben eines Dorfes, einer Stadt einer Herrschaft oder eines Territoriums, enthalten. Sie sind nicht mit der Intention der Überlieferung historischer Tatsachen oder Sichtweisen entstanden, sondern zum Zweck der Dokumentation der Rechnungslegung und sind daher Archivgut im ursprünglichen Sinn. Diese Tatsache macht sie frei von Absichten der Verfasser, ein bestimmtes Bild der Zeit oder der Personen zu vermitteln. Sie sind oft die einzigen Quellen, auf die man für eine bestimmte Zeit zurückgreifen kann und beginnen in den deutschen Städten ab dem 14. Jahrhundert.[1]
Die Angaben, die für Lichtenberg vorliegen, beginnen Ende des 16. Jahrhunderts.[2] Frühere Rechnungen, die auch mit dem Bau des Schlosses zusammenhängen, sind durch Brände verloren gegangen.[3]
Der Weinbau in Deutschland lässt sich bis zu den Kelten zurückverfolgen. Wirklicher Weinbau lässt sich aber erst mit dem Vordringen der Römer zur Zeit Cäsars nach Norden nachweisen. Die römischen Legionen brachten den Weinbau über das Rhônetal auch nach Deutschland, zunächst an Mosel und Rhein.
Ab der Mitte des 3. Jh. nahm der Weinanbau nördlich der Alpen zu. Dies könnte mit einer Erlaubnis des römischen Kaisers Probus zusammenhängen: "Er erlaubte allen Galliern, Spaniern und Briten, Reben zu besitzen und Wein herzustellen."[4] Aber bis in unsere Regionen scheint der Weinbau erst etwas später vorgedrungen zu sein.
Im Mittelalter spielten die Klöster für den Weinanbau eine sehr große Rolle, denn Wein war für den liturgischen Gebrauch unabdingbar. Entscheidend für die Ausbreitung des Weinbaus im Mittelalter, sogar bis weit in den Norden hinein, war die mittelalterliche Warmzeit, die vom 9. bis zum 14. Jahrhundert anhielt. Sie erlaubte Weinbau z. B. bis nach Kloster Doberan oder Königsberg in Ostpreußen. Über die Qualität dieser sehr nördlichen Weine weiß man wenig, nimmt aber an, dass auch hier der gottesdienstliche Gebrauch im Vordergrund stand.
Im 16. Jahrhundert gab es mehrere einschneidende Ereignisse, die den Weinanbau in Deutschland beeinflussten. Unter anderem die großen Abgabenlasten für die Bauern führten zu den Bauernkriegen. Außerdem gab es durch die Realteilung immer kleinere Höfe, die nicht mehr wirtschaftlich waren.
Auch kam es Anfang des 16. Jh. zu einer Ausweitung der Rebflächen. Gleichzeitig drängten französische und italienische Rotweine auf den nördlichen Markt. Es gab ein Überangebot, der zuerst den Flächen schadete, die weniger qualitätsvolle Weine produzierten. Preisanstieg für Getreide machte dessen Anbau attraktiver. Hinzu kam eine Klimaverschlechterung ab der Mitte des 16. Jahrhunderts – Die ‚kleine Eiszeit‘ kündigte sich an. Erst ab Anfang des 19. Jahrhunderts kam es wieder zu einer Erwärmung.
Nun zu Lichtenberg:
Für 1580 ist belegt, dass durch den Küfer Hartmann 10 große Fässer für den Schlosskeller hergestellt wurden. Dieser Küfer wurde dem Landgrafen durch seinen Bruder in Kassel zur Verfügung gestellt. Die Fässer hatten insgesamt ein Fassungsvermögen von 133 Fudern. Ein Fuder hatte, je nach Region, 800 bis 1800 Liter.[5]
Für Lichtenberg werden ca. 1000 Liter angenommen, was ein Gesamtfassungsvermögen der zehn Fässer von 133.000 Litern ausmacht. Die Eisenreifen für die Fässer kamen aus einer Eisenhütte bei Erbach.[6]
1682 sind dann 26 Fässer belegt, die zwischen einem und dreizehn Fudern Inhalt hatten und 7 Fässer mit einem Volumen von ein bis vier Ohm. Sechs dieser Fässer wurden im gleichen Jahr nach Darmstadt gebracht.[7]
Der Wein wurde offensichtlich vor Ort verarbeitet, denn es gab ein Kelterhaus mit „einer vollständigen Kelter.“[8] Um welche Art von Kelter es sich handelt, ist nicht belegt. Für die Herrschaft von Breuberg ist in Seckmauern eine Baumkelter belegt.[9] Aber vielleicht wurde eine solche Kelter auch in Lichtenberg verwendet. (s.u.)
Es war eine Leiter vorhanden mit der man die Fässer in den Keller und wieder hinaus bringen konnte und weiteres Zubehör für die Tätigkeit des Küfers.[10]
Wein scheint also schon relativ am Anfang der Geschichte des Renaissanceschlosses, wenn nicht schon vorher, eine Rolle gespielt zu haben. 1623 wurden die Weinberge neu angelegt. Dabei wurden 2029 "Inleger" gesteckt. Diese kosteten 9 Gulden, 19 Albus und 5 Pfennig.[11]
Ein Hausküfer und ein Wingertmeister gehörten zu den Bediensteten in Lichtenberg.[12]
Eine Liste der Wingertmeister in Lichtenberg von 1589 bis 1801 ist bei Johannes Feick zu finden.[13]
Die Menge des Weins muss also zumindest so groß gewesen sein, dass es sich lohnte, ‚Spezialisten‘ zu beschäftigen, was auch an der Menge der Stecklinge zu sehen ist. Unter den Vorteilen des fürstlichen Hauses und des Amtes Lichtenberg wird genannt, dass "die Bürger zu Hausen und Lichtenbergk, [dem Amtmann] all sein Wein in auß dem Keller schrotten" (= schneiden zermalmen) müssen.[14] Über die Qualität des Weins werden aber wiederum keine Aussagen gemacht.
Der Lichtenberger Weinbau ist kein einmaliges Phänomen in der Region, wie der heute noch bestehende Weinbau in Roßdorf, Groß-Umstadt und an der Bergstraße, zusammengefasst als Weinbaugebiet Bergstraße bezeichnet, erkennen lässt.
Sabine Hynek, 18. August 2015
Literatur
Eichhorn, Ernst, Geschichte und Bedeutung des Weinbaus an der Hessischen Bergstraße. In: Schriften zur Weingeschichte (1972) H. 29,S. 1–12.
Feick, Johannes, Lichtenberg im Odenwalde in Vergangenheit und Gegenwart, 2nd ed. Darmstadt 1903.
Mihm, Arend u. Margret Mihm, Mittelalterliche Stadtrechnungen im historischen Prozess. Die älteste Duisburger Überlieferung (1348 -1449). Köln [u.a.] 2007 (=1).
Wackerfuß, Winfried, Kultur-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Odenwaldes im 15. Jahrhundert. Die ältesten Rechnungen für die Grafen von Wertheim in der Herrschaft Breuberg, 1409-1484. Breuberg-Neustadt 1991.
Weber, Hans H., Schloss Lichtenberg im Odenwald. Bauherr, Baugeschichte, Baubeschreibung, Schlossgeschichte, Folgebauten. Fischbachtal-Lichtenberg 1983 (=Schriftenreihe des Museums Schloss Lichtenberg Nr. 4).
[1] Mihm, Arend u. Margret Mihm, Mittelalterliche Stadtrechnungen im historischen Prozess. Die älteste Duisburger Überlieferung (1348 -1449). Köln [u.a.] 2007 (=1).
[2] Weber, Hans H., Schloss Lichtenberg im Odenwald. Bauherr, Baugeschichte, Baubeschreibung, Schlossgeschichte, Folgebauten. Fischbachtal-Lichtenberg 1983 (=Schriftenreihe des Museums Schloss Lichtenberg Nr. 4), S. 52.
[3] Ebd., S. 47.
[4] "Gallis omnibus et Hispanis ac Britannis hinc permisit, ut vites haberent vinumque conficerent." <https://archive.org/stream/scriptoreshistor03camb
/scriptoreshistor03camb_djvu.txt> (15.08.2015).
[5] Fuder wurde von ‚Fuhre‘ abgeleitet = die Ladung, die ein zweispänniger Wagen laden konnte. Weber, Hans H.: Schloss Lichtenberg im Odenwald, S. 52.
[6] Ebd.
[7] Ebd., S. 59.
[8] Ebd., S. 54.Kelter von ‚calcatore‘ = lat. treten.
[9] Wackerfuß, Winfried, Kultur-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Odenwaldes im 15. Jahrhundert. Die ältesten Rechnungen für die Grafen von Wertheim in der Herrschaft Breuberg, 1409-1484. Breuberg-Neustadt 1991, S. 110.
[10] Weber, Hans H.: Schloss Lichtenberg im Odenwald, S. 59.
[11] Feick, Johannes, Lichtenberg im Odenwalde in Vergangenheit und Gegenwart, 2nd ed. Darmstadt 1903, S. 107.
[12] Weber, Hans H.: Schloss Lichtenberg im Odenwald, S. 86.
[13] Feick, Johannes: Feick, Lichtenberg im Odenwalde, S. 76.
[14] Weber, Hans H.: Schloss Lichtenberg im Odenwald, S. 94.
Bilder: Wikipedia, Stichwort ‚Kelter‘